Grenzstreit & Eigentumssicherung

Stolperfalle „Grenzstreitigkeit“ und wie man sie vermeidet

Es gibt Fälle, welche man durchaus häufig in der Beratungspraxis antrifft, die mit der fehlenden Sicherheit über die Eigentumsgrenzen (und/oder Nutzungsrechte) bei einer erworbenen Liegenschaft zusammenhängen und zu allem Überfluss manchmal erst Jahre nach dem Erwerb aufpoppen.

Wie ist überhaupt die Rechtslage?

Grundstücke können entweder im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster eingetragen sein. Im ersten Fall sind die Grenzen in jedem Fall rechtsverbindlich – das bedeutet unter anderem nicht ersitzungsfähig. Gerichte können und müssen auch gar nicht angerufen werden. Im zweiten Fall besteht keine Verbindlichkeit der Grenzen – bei Grenzstreitigkeiten muss zur Klärung in letzter Konsequenz das zuständige Gericht angerufen werden. Das ist nicht nur teuer, sondern auch nervenaufreibend – gibt es doch oftmals Beweisschwierigkeiten, wenn der Erwerb schon lange zurückliegt und etwa Grenzzeichen in der Natur verloren gegangen sind, aber niemand mehr darüber Auskunft geben kann. 

Der Grundbuchauszug liefert diesbezüglich wertvolle Hinweise:

Ist neben der Grundstücksnummer ein „G“ angeführt, ist dieses auch im Grenzkataster eingetragen, sodass die Flächenangabe im Grundbuch mit der tatsächlichen Grundstücksgröße hundertprozentig übereinstimmt. In allen anderen Fällen genießen die Flächenangaben keinen Vertrauensschutz beim Rechtserwerb. Das mag auf den ersten Blick harmlos klingen, wenn jedoch später der Grenzverlauf strittig wird, kann das äußerst kostspielig werden. Speziell, wenn Dienstbarkeiten nicht verbüchert wurden oder Liegenschaften ohne Kenntnis der konkreten Umstände und daher ohne Regelung weiterveräussert wurden.

Meine wärmste Empfehlung: Augen auf beim Grundstückskauf!

Gibt es keine Eintragung im Grenzkataster, ist prinzipiell Vorsicht geboten und lohnt es sich vor dem Erwerb, weitere Nachforschungen anzustellen, wenn es Indizien für mögliche Unklarheiten über Grundstücksgrenzen/Nutzungsrechte gibt.

Als Rechtsanwältin für Zivilrecht und Prozessführung berate & vertrete ich in allen liegenschaftsrechtlichen Angelegenheiten, sowohl außergerichtlich als auch österreichweit vor Gericht.

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Duldungsverpflichtung gemäß § 45 zweiter Satz EisbG keine Enteignung iSd EisbEG – Entschädigung verneint

Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.3.2022 (Ra 2022/03/0044) ist eine Aussage zu entnehmen, die für das Thema Entschädigung für Enteignung von besonderer Bedeutung ist und einer näheren Auseinandersetzung bedarf.

Gegenstand der mittels außerordentlicher Revision an den VwGH herangetragenen Fragestellung ist zusammengefasst, ob es eine (analoge) Entschädigungspflicht für Maßnahmen nach § 45 EisbG gibt.

§ 45 EisbG lautet wie folgt:

Die innerhalb des Gefährdungsbereiches durch Naturereignisse (wie Lawinen, Erdrutsch, natürlicher Pflanzenwuchs) eingetretenen Gefährdungen der Eisenbahn (§ 43 Abs. 1) sind vom Eisenbahnunternehmen zu beseitigen. Wenn der Verfügungsberechtigte hiezu seine Zustimmung verweigert, so hat ihm die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Eisenbahnunternehmens die Duldung der Beseitigung aufzutragen.

Zum Sachverhalt und Hintergrund der Entscheidung:

Dem Revisionswerber wurde gemäß § 45 EisbG die Duldung der Beseitigung der durch Pflanzenwuchs eingetretenen Gefährdung der Eisenbahn auf näher genannten Grundstücken im Bereich der Bahnstrecke Klagenfurt ‑ Weizelsdorf nach Maßgabe eines Lageplanes und eingeschränkt auf die in diesem Bereich in der Natur mit rotem Farbspray markierten Bäume aufgetragen.

Die im Lageplan im dort festgelegten Korridorbereich ausgezeigten Bäume stellten nach Ansicht der belangten Behörde eine Gefährdung der Eisenbahn dar.

Der Revisionswerber argumentierte, dass es sich bei der zu duldenden Maßnahme um einen Eigentumseingriff handle, weshalb die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu beachten gewesen seien. Das Verwaltungsgericht verneinte einen unverhältnismäßigen Eingriff und  entschied, dass kein Anspruch auf Entschädigung bestehe. Das EisbG sehe eine Entschädigung für die Entfernung des forstlichen Bewuchses innerhalb des Gefährdungsbereichs nicht vor.

Anlässlich der gegenständlich an den VwGH herangetragenen außerordentlichen Revision zur Frage, ob in einem Fall wie dem vorliegenden, wo der als Gefährdungsbereich definierte und „abzuholzende“ Bereich für den Revisionswerber als Eigentümer „faktisch unbenutzbar“ werde, ein Anspruch auf Entschädigungspflicht für die „faktische Enteignung“ bestehe, setzte er sich mit der Frage der Entschädigung für Maßnahmen nach § 45 EisbG auseinander und verneinte diese im Ergebnis mit nachfolgend dargelegter Argumentation:

Gemäß § 45 erster Satz EisbG sind innerhalb des Gefährdungsbereichs durch Naturereignisse (wie u.a. natürlicher Pflanzenwuchs) eingetretene Gefährdungen der Eisenbahn vom Eisenbahnunternehmen zu beseitigen. Verweigert der Verfügungsberechtigte seine Zustimmung hiezu, hat ihm die Behörde auf Antrag des Eisenbahnunternehmens die Duldung aufzutragen (zweiter Satz). Da der Gefährdungsbereich durch das Gesetz metermäßig nicht begrenzt wurde, werden für die Festlegung des Korridors Sachverständigengutachten (hier: eisenbahnrechtliches und forstfachliches Gutachten) eingeholt. Den Zweck der Regelung beachtend, sei der Gefährdungsbereich iSd § 43 Abs. 1 EisbG derart festzulegen, dass eine Gefährdung der Eisenbahn samt Betrieb und Verkehrsführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne.

In der Folge stellte der VwGH klar, dass die dem Eisenbahnunternehmen zur Erreichung dieses Ziels aufgetragenen Beseitigungsmaßnahmen nach § 45 erster Satz EisbG im Lichte des verfassungsmäßigen Eigentumsschutzes zu sehen sind, weshalb derartige Maßnahmen streng an die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit gebunden sind.

Gefährdungen durch natürlichen Pflanzenwuchs innerhalb des Gefährdungsbereichs einer Eisenbahnanlage sind weiters vom EisbG dem Regime des § 45 EisbG zugewiesen, begründen also einen Duldungsanspruch (aus Sicht des betroffenen Grundstückseigentümers somit eine Duldungsverpflichtung).

Eine wie vom Revisionswerber vorgebrachte „faktische Unbenützbarkeit“ verneinte das Verwaltungsgericht. Der VwGH hielt dazu fest, dass eine bestimmungsgemäße Nutzung durch das bekämpfte Erkenntnis auch nicht untersagt worden sei.

Darüber hinaus entschied der VwGH, dass es sich bei der Duldungsverpflichtung nach § 45 2. Satz EisbG nicht um eine Enteignung iSd EisbEG handelt und führte dazu aus, dass diese Verpflichtung unmittelbar aus dem Gesetz resultiere und insoweit der Umsetzung einer Legalservitut diene. Dem Erfordernis der Wahrung des Eigentumsschutzes werde vom Gesetz durch strikte Zweckbindung nach dem Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Rechnung getragen.

Die Leistung einer „Entschädigung“ für die gegebenenfalls mit der Duldung der Beseitigung verbundenen Nachteile sehe § 45 EisbG offenkundig deswegen nicht vor, weil das Gesetz solche Maßnahmen nicht als gegebenenfalls einen Entschädigungsanspruch auslösende Eigentumseingriffe ansehe. Der VwGH stellte in seiner Auseinandersetzung dabei einen Vergleich mit dem im 3. Teil geregelten Recht zur Enteignung nach Maßgabe des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes an. Insbesondere die Bestimmungen der §§ 18b und 18c EisbG würden deutlich machen, dass in Ermangelung einer zivilrechtlichen Einigung mit dem Eigentümer des betroffenen Grundstücks die Durchführung eines Enteignungsverfahrens (und damit gegebenenfalls die Leistung einer Entschädigung) möglich sei, wobei § 18c EisbG die Frage der Entschädigung ausdrücklich anspreche, § 45 zweiter Satz hingegen nicht, sodass ein Entschädigungsanspruch für die Durchsetzung von Maßnahmen nach § 45 zweiter Satz EisbG zu verneinen sei. Etwas Unklarheit liefert zwar die abschließende Bemerkung (Rz 28), diese dient aber wohl als klarstellende Abgrenzung von Anpflanzungen und natürlichem Pflanzenwuchs.

Zusammengefasst soll unter anderem § 45 EisbG auf die Sicherung des Bestands schon errichteter und betriebener Eisenbahnen abzielen, ohne dass dazu eine ‑ gegebenenfalls mit der Leistung einer Entschädigung verbundene ‑ Enteignung erforderlich wäre.

Das Ergebnis – dass da lautet: das volle wirtschaftliche Risiko der Nachteile für die eine Eisenbahn gefährdende Naturereignisse wird auf den betroffenen Grundstückseigentümer überwälzt – ist in wertender Hinsicht für mich nicht ganz nachvollziehbar. Auch kann das ein oder andere Argument auf dem Weg zu diesem Ergebnis nicht hundertprozentig überzeugen:

Zum Einen kann es zunächst für die Frage einer Entschädigung dahingestellt bleiben, ob es sich um die Umsetzung einer Legalservitut handelt oder nicht. Denn es gibt durchaus Beispiele, wo der Gesetzgeber auch eine „Legalservitut“ entschädigt wissen wollte (siehe nur: § 111 Abs 4 WRG, der explizit auf die die Entschädigung regelnde Bestimmung des § 117 WRG verweist). Auch für die in § 11 und insbesondere auch § 13 Abs 2 oö StarkstromwegeG 1970 idgF normierten Rechte/Pflichten ist eine Entschädigung für  alle unmittelbar mit dem Bau, der Erhaltung, dem Betrieb, der Änderung oder der Beseitigung verbundenen Beschränkungen vorgesehen.

Für die Frage der Entschädigung kann es daher keine Rolle spielen, ob es sich um eine Legalservitut handelt oder nicht. Wenn der Vergleich (offenkundig) darauf abzielt, dass es auf die Möglichkeit einer zwangsweisen „Durchsetzung in einem Verfahren“ im Enteignungsweg ankommen soll, sei ebenfalls auf die oben beispielhaft zitierten Bestimmungen verwiesen, sodass sich aus diesem Vergleich alleine keine allgemeingültige Aussage treffen lässt. Außerdem gibt es neben dem Entzug des Eigentums durch Verwaltungsakt (Enteignungsbescheid) auch die sog. „Legalenteignung“ durch unmittelbare Anordnung im Gesetz (mwN etwa Probst, Grundeinlöse und Enteignung (2017), Rz 3.4.).

Zum Anderen hat bereits der VfGH ausgesprochen (vgl. nur VfGH 14.7.2020, G 202/2020 ua, V 408/2020 ua), dass der Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet ist, eine Entschädigung vorzusehen und gravierende Einzelfälle eine Entschädigungspflicht begründen können. Im verwaltungsrechtlichen Weg (wie hier) ist die Ansicht des VfGH auch jedenfalls maßgebend. Es kann für die Beurteilung der Entschädigungsfrage somit auch nicht darauf ankommen, ob der Gesetzgeber eine Entschädigung vorgesehen und diese Frage explizit geregelt hat oder nicht.

Das Argument, wonach der Gesetzgeber die Verpflichtung nach § 45 zweiter Satz EisbG mangels Regelung im Gesetz nicht als einen eine Entschädigungspflicht auslösenden Eigentumseingriff ansieht, kann auch deswegen nicht überzeugen, da eine Rundschau in die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zeigt, dass eine Entschädigung auch dort zugesprochen wurde und wird, wo es eben keine ausdrückliche Regelung dazu gibt.

Dem VwGH ist (im Ergebnis) zuzustimmen, dass es sich bei den aus der Duldung der Beseitigungsmaßnahme resultierenden Vermögenseinbußen nicht um einen „durch eine Enteignung“ verursachten vermögensrechtlichen Nachteil handelt. Insofern ist es auch in rechtlicher Hinsicht konsequent und richtig, eine „Enteignung iSd EisbEG“ zu verneinen.

Nicht nachvollziehbar erscheint jedenfalls die vorgenommene Differenzierung dahingehend, ob es sich um eine Duldungsverpflichtung iZm der „Errichtung“ einer Eisenbahn oder dem gefahrlosen „Betrieb“ einer bestehenden Eisenbahn handelt – noch weniger mit dem Hinweis, weil das Gesetz eine Entschädigung nicht ausdrücklich anspricht. Denn die Errichtung einer für den Betrieb erforderlichen Einrichtung ist ja der uU bestehenden Entschädigungspflicht unterworfen:

Nach § 18c EisbG ist das Eisenbahnunternehmen berechtigt, von den Eigentümern von Grundstücken und Baulichkeiten die Duldung der Errichtung oder Anbringung von Oberleitungen, Haltevorrichtungen für die Oberleitung, von Signalen und sonstigen für den Betrieb einer Eisenbahn, für den Betrieb von Schienenfahrzeugen auf einer Eisenbahn sowie für den Verkehr auf einer Eisenbahn erforderlichen Einrichtungen (Trennschalter, Kabelzuleitungen, Sicherungs- und Schaltkasten, Haltestellenzeichen und dergleichen) ohne Enteignung und ohne Anspruch auf Entschädigung zu verlangen, soweit hiedurch nicht die bestimmungsgemäße Benützung des Grundes oder des Gebäudes erheblich beeinträchtigt wird. Diese Bestimmung setzt für ihre Anwendung eine aktive Handlung des Eisenbahnunternehmens voraus.

§ 43 Abs 1 EisbG regelt, dass im Gefährdungsbereich die Errichtung von Anlagen oder die Vornahme sonstiger Handlungen verboten ist, durch die der Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Führung des Betriebes der Eisenbahn und des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder auf schienengleiche Eisenbahnübergänge, gefährdet wird. Auch diese Bestimmung stellt auf eine aktive Handlung ab.

§ 45 EisbG nimmt eine besondere Stellung im Vergleich mit diesen beiden Bestimmungen ein: Diese Bestimmung regelt die vis major-Fallkonstellation, bei der es an einer „aktiven Handlung“ fehlt, denn zum Einen wird keine „verbotswidrige Handlung“ vorausgesetzt und zum Anderen auch nicht an eine aktive „Errichtungstätigkeit“ durch das Eisenbahnunternehmen angeknüpft. Bei der in § 45 geregelten Fallkonstellation sind somit weder das Eisenbahnunternehmen noch der Verfügungsberechtigte bzw Grundstückseigentümer aktiv in irgendeiner Weise tätig geworden.

Wenn aber bereits für die Errichtung betriebsnotwendiger Einrichtungen lediglich bei weiter bestehender bestimmungsgemäßer Benützungsmöglichkeit ohne Enteignung und ohne Entschädigung vorgegangen werden darf, dann muss diese Wertung erst recht für den Fall gelten, wo sphärenunabhängig und ohne Zutun des Betroffenen Beseitigungsmaßnahmen notwendig werden, die dem gefahrlosen Betrieb dienen, die jedoch die bestimmungsgemäße Benützung auf Kosten der Gefahrenbeseitigung erheblich beeinträchtigen.

Auch, dass aus der Duldungsverpflichtung ein sich unmittelbar aus dieser Beschränkung ergebender vermögensrechtlicher Nachteil resultieren kann, der die Erheblichkeitsschwelle der Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauches erreicht, kann nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden (mag auch in diesem konkreten Fall diese „Schwelle“ nicht erreicht worden sein). Im Übrigen sieht auch schon § 19 Abs 2 EisbG explizit vor, dass „ein zum Bau und zum Betrieb von Eisenbahnen berechtigtes Eisenbahnunternehmen Vorkehrungen zu treffen [hat], dass durch den Bau, Bestand oder Betrieb der Eisenbahn keine Schäden an öffentlichem und privatem Gut entstehen.“

Die Wertung des Gesetzgebers ist sohin dahingehend zu sehen, dass er eine Hintanhaltung von Schäden durch den Bestand oder Betrieb (auch) an privatem Gut statuieren wollte. Es erscheint mir vor dieser Wertung des Gesetzgebers daher wenig sachgerecht zu sein, das wirtschaftliche Risiko für „vis major“-Ereignisse (die keine der beiden Seiten verschuldet hat) nur einer Seite zur Gänze aufzuerlegen. Denn die Kostentragung durch das Eisenbahnunternehmen stellt schließlich keinen finanziellen Ausgleich von vermögensrechtlichen Nachteilen dar (weshalb auch die diesbezügliche Argumentation des VwGH nicht ganz nachvollziehbar ist).

Im Ergebnis sind der Entscheidung zwar klare Aussagen zu entnehmen, inhaltlich kann ich den angeführten Argumenten, mit denen einer Entschädigung entgegentreten wird, nicht hundertprozentig folgen.

Ausnahmen vom Bauverbotsbereich – öffentliches Verkehrsinteresse iSd § 42 Abs. 3 EisbG ist keine von Sachverständigen zu klärende Frage

Erkenntnis des VwGH, Ro 2023/03/0036-7 vom 6. November 2024

Ich möchte das neue Jahr mit einem spannenden Erkenntnis aus dem alten Jahr, welches einige klarstellende Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Ausnahmegenehmigungen im Bauverbotsbereich einer Eisenbahn enthält, einleiten.

Reichen unverbindliche, bloß „wahrscheinliche“ Erweiterungsmaßnahmen für die Versagung einer Ausnahmegenehmigung wegen des entgegenstehenden öffentlichen Verkehrsinteresses aus?

Mit im Wesentlichen dieser Frage musste sich der Verwaltungsgerichtshof auseinandersetzen und ist seine Antwort dem im November letzten Jahres veröffentlichten Erkenntnis zu entnehmen.

Wer im Bereich einer Eisenbahn bauen will, muss sich mit den rechtlich relevanten Grundlagen, dem Eisenbahngesetz aus 1957 i.d.g.F. (in der Folge abgekürzt: „EisbG“) vertraut machen. Nicht überall darf gebaut werden:

§ 42 Abs. 1 EisbG definiert den sog. „Bauverbotsbereich“ und bestimmt, dass die Errichtung bahnfremder Anlagen jeder Art in einer Entfernung bis zu zwölf Meter von der Mitte des äußersten Gleises einer Haupt- oder Nebenbahn oder einer nicht-öffentlichen Eisenbahn verboten ist.

§ 42 Abs. 3 EisbG regelt jedoch eine Ausnahme hievon: Demnach kann die Behörde Ausnahmen von diesem Bauverbot bewilligen, soweit dies mit den öffentlichen Verkehrsinteressen zu vereinbaren ist. Der Gesetzgeber weitete diese Ausnahme sogar weiter aus, indem er auf eine solche Bewilligung verzichtete und für nicht erforderlich erklärte, wenn es über die Errichtung der bahnfremden Anlagen zwischen dem Eisenbahnunternehmen und dem Anrainer zu einer Einigung gekommen ist.

§ 43 Abs. 1 EisbG regelt darüber hinaus den „Gefährdungsbereich“, wonach in der Umgebung von Eisenbahnen die Errichtung von Anlagen oder die Vornahme sonstiger Handlungen verboten sind, durch die der Bestand der Eisenbahn oder ihr Zugehör oder die regelmäßige und sichere Führung des Betriebes der Eisenbahn und des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn sowie des Verkehrs auf der Eisenbahn, insbesondere die freie Sicht auf Signale oder auf schienengleiche Eisenbahnübergänge, gefährdet wird. Wiederum eine Ausnahme von diesem Verbot ist in § 43 Abs. 3 und 4 EisbG vorgesehen.

Dem zugrundeliegenden Sachverhalt zufolge beantragte die Revisionswerberin die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von einem Bauverbotsbereich gemäß § 42 Abs. 3 und § 43 Abs. 3 EisbG. Diesen Antrag wies das Bundesverwaltungsgericht mit der bekämpften Entscheidung ab, sprach jedoch aus, dass die Revision zulässig sei. Zusammengefasst wurde die Ausnahmegenehmigung für ein Bauprojekt (Errichtung einer Wohnhausanlage) innerhalb des Zwölfmeterbereiches mit dem Hinweis auf den „wahrscheinlich“ stattfindenden dreigleisigen Ausbau der Ostbahn im fraglich relevanten Bereich versagt. Es seien im Zeitpunkt der Entscheidung zwar keine verbindlich vereinbarten Ausbaumaßnahmen vorgesehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit werde eine solche Maßnahme aber im Rahmen des in Erarbeitung befindlichen „Zielnetzes 2040“ mit entsprechender Priorität gewürdigt, weshalb das Gericht zusammengefasst zum Ergebnis kam, dass der Erteilung der Ausnahmegenehmigung öffentliche Verkehrsinteressen entgegenstünden.

Gegenständlich wurde von der Antragswerberin argumentiert, dass strittig sei, ob die Planungsabsichten der Mitbeteiligten „so konkret“ seien, dass öffentliche Verkehrsinteressen der Erteilung einer Bewilligung entgegenstünden.

Der Verwaltungsgerichtshof erläuterte zunächst den telos der Bestimmung (siehe Rz 33f), wonach der Sinn und Zweck des von Gesetzes wegen bestehenden Bauverbotes und der – auf den Fall ihrer Vereinbarkeit mit öffentlichen Verkehrsinteressen beschränkten – Ausnahmemöglichkeit darin bestünde, den nächstgelegenen Bereich zur Eisenbahn möglichst von einer die Erweiterung der Eisenbahn behindernden Verbauung freizuhalten (mit Verweis auf Catharin/Gürtlich/Walder-Wintersteiner, Eisenbahngesetz4, 2022, § 42 EisbG, Rn. 11).

Es liege vor diesem Hintergrund im öffentlichen Verkehrsinteresse iSd § 42 Abs. 3 EisbG jedenfalls der Bau, der Betrieb, die Erhaltung und Erneuerung sowie der Ausbau der Eisenbahninfrastruktur, wobei dies (Anm.: und darauf kommt es jetzt an) auch die dafür erforderliche Planung – mit dem für eine solche Infrastruktur typischen langjährigen Planungshorizont – umfasst. Der Verwaltungsgerichtshof stellt also zum Einen nicht nur auf einen (bloßen) Planungshorizont ab, sondern gesteht diesem zum Anderen auch einen langjährigen Zeithorizont zu.

Der in der Revision vertretenen Auffassung, dass „Planungsabsichten“ des Eisenbahnunternehmens nur dann für die Versagung einer Ausnahmebewilligung herangezogen werden dürften, wenn diese „so konkret seien, dass sie in eines der gesetzlich vorgesehenen Planungsdokumente, namentlich in den Rahmenplan oder in das Zielnetz, Eingang gefunden“ hätten, folgte der Verwaltungsgerichtshof nicht.

Zu den „Planungsdokumenten“ führte der Verwaltungsgerichtshof § 42 Abs. 7 Bundesbahngesetz, BGBl. Nr. 825/1992, an. Als Grundlage des Zuschusses des Bundes an die ÖBB-Infrastruktur AG (deren Aufgabe wiederum gemäß § 31 Abs. 1 Bundesbahngesetz u.a. die Planung und der Bau einer bedarfsgerechten und sicheren Schieneninfrastruktur (einschließlich Hochleistungsstrecken) ist), ist demnach ein jährlich zu adaptierender sechsjähriger Rahmenplan vorgesehen. Bei der Erstellung dieses Rahmenplanes sei wiederum auf die Festlegungen im sog. Zielnetz, welches zwischen dem für die Angelegenheiten der Eisenbahnen zuständigen Bundesminister und dem Bundesminister für Finanzen abgestimmt wurde, Bedacht zu nehmen. Insoweit gestand der Verwaltungsgerichtshof der Revisionswerberin zu, dass Planungen in Bezug auf einen bestimmten Streckenabschnitt, die in einem der beiden genannten Dokumente enthalten sind, jedenfalls ein öffentliches Verkehrsinteresse iSd § 42 Abs. 3 EisbG zum Ausdruck bringen, sodass eine Ausnahme vom Verbotsbereich nur dann erteilt werden dürfe, wenn dies mit einer solchen Planung vereinbar sei.

Eine Absage erteilte der Verwaltungsgerichtshof gleichzeitig jedoch der Auffassung, wonach ausschließlich jene Planungen in Bezug auf einen bestimmten Streckenabschnitt, die im jeweils anwendbaren Rahmenplan bzw. Zielnetz enthalten seien, ein öffentliches Verkehrsinteresse iSd § 42 Abs. 3 EisbG begründen. Denn eine solche Auslegung scheide schon wegen des Zurückgehens der Regelungen über den Bauverbotsbereich und seiner Ausnahmen auf die Stammfassung des Eisenbahngesetzes 1957 (damals § 38) aus, in der solche Planungsdokumente damals gesetzlich noch nicht einmal vorgesehen waren. Eine Beschränkung des öffentlichen Verkehrsinteresses iSd § 42 Abs. 3 EisbG auf im Rahmenplan bzw. Zielnetz enthaltene Planungen komme laut Verwaltungsgerichtshof aber insbesondere deswegen nicht in Betracht, weil sie die mittel- bis langfristige Perspektive, die einer Schieneninfrastrukturplanung inhärent sei, außer Acht ließe. Und weiter: Bestehen die öffentlichen Verkehrsinteressen iSd § 42 Abs. 3 EisbG in einer erst in Planung befindlichen Erweiterung der Infrastruktur, sodass noch keine konkreten Pläne für ein Bauvorhaben vorliegen, scheidet eine Beurteilung, ob (lediglich) ein bestimmter Teil des Bauverbotsbereichs für eine solche Erweiterung notwendig ist, von vornherein aus.

Und last but not least: Die Beurteilung, ob im Hinblick auf Planungen zur Streckenerweiterung ein öffentliches Verkehrsinteresse iSd § 42 Abs. 3 EisbG vorliegt, ist dem Verwaltungsgerichtshof zufolge eine rechtliche und keine sachverständige Beurteilung, sodass zu dieser Frage auch kein Sachverständigengutachten einzuholen war.

Aus diesem Erkenntnis ist somit ableitbar: Auf in Planungsdokumenten festgehaltene und solcherart „konkrete Pläne“ kommt es für die genehmigungsschädliche Annahme von öffentlichen Verkehrsinteressen iSd § 42 Abs. 3 EisbG nicht zwingend an. Es genügt vielmehr bereits, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine solche Maßnahme im Rahmen eines auch erst in Erarbeitung befindlichen Plandokumentes mit entsprechender Priorität gewürdigt wird. Maßgebend im Schieneninfrastrukturbereich sind mittel- bis sogar langfristige Perspektiven, wobei es sich hierbei überdies um eine reine Rechtsfrage handelt, für die keine Beurteilung durch einen Sachverständigen erforderlich ist.

Compliance – Aktuell

EU-Entwaldungsverordnung

Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), die 2023 in Kraft getreten ist, zielt darauf ab, die globale Entwaldung und Waldschädigung zu bekämpfen. Sie verbietet den Import und Export bestimmter Rohstoffe (z. B. Soja, Palmöl, Holz, Kakao, Kaffee und Rindfleisch) sowie daraus hergestellter Produkte, die mit Entwaldung in Verbindung stehen. Unternehmen müssen nachweisen, dass ihre Lieferketten entwaldungsfrei sind und den jeweiligen lokalen Gesetzen entsprechen. Das bedeutet: Diese Rohstoffe und daraus hergestellte Erzeugnisse (die in Anhang 1 der Verordnung aufgelistet sind), dürfen innerhalb der EU in Verkehr gebracht werden, wenn sie entwaldungsfrei und legal erzeugt wurden. Es muss eine sogenannte Sorgfaltserklärung vorliegen (durch Einmeldung in ein hierfür eigens entwickeltes System der EU). Das EU-Parlament beschloss, Unternehmen ein weiteres Jahr für die Umsetzung einzuräumen. Große Unternehmen und Händler müssen somit ab dem 30. Dezember 2025, Kleinst- und Kleinunternehmen ab dem 30. Juni 2026 (derzeit aktueller Stand) die Verpflichtungen dieser Verordnung einhalten und für deren Umsetzung sorgen.

Ziel der Verordnung ist es, die Umwelt zu schützen, den Verlust von Biodiversität zu stoppen und den Klimawandel einzudämmen. Kritiker bemängeln den bürokratischen Aufwand und mögliche Benachteiligungen kleiner Produzenten. Dennoch stellt die EUDR einen wichtigen Schritt für mehr Nachhaltigkeit dar.

Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) bringt für Unternehmen erhebliche Pflichten mit sich:

1. Sorgfaltspflichten (Due Diligence): Unternehmen müssen sicherstellen, dass die betroffenen Rohstoffe und Produkte entlang der gesamten Lieferkette entwaldungsfrei sind. Dazu gehört die Beschaffung von Informationen über Lieferanten und Produktionsstätten.

2. Geolokalisierung und Rückverfolgbarkeit: Unternehmen müssen die genaue Herkunft der Rohstoffe mittels Geolokalisierungsdaten nachweisen. Diese Informationen müssen dokumentiert und bei Kontrollen vorgelegt werden.

3. Risikoanalyse: Unternehmen sind verpflichtet, Risiken von Entwaldung oder Waldschädigung in ihrer Lieferkette zu bewerten und Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen. Bei einem hohen Risiko dürfen die Waren nicht in der EU in Verkehr gebracht werden.

4. Transparenz und Berichterstattung: Unternehmen müssen regelmäßig Berichte über ihre Bemühungen zur Einhaltung der Verordnung erstellen und diese den Behörden zugänglich machen.

5. Einhalten lokaler Gesetze: Die Produktion muss den Gesetzen des Erzeugerlandes entsprechen, einschließlich Landnutzungs- und Umweltschutzvorschriften.

Diese Pflichten erfordern von Unternehmen eine verstärkte Kontrolle ihrer Lieferketten, oft verbunden mit höheren Kosten und einem erweiterten Verwaltungsaufwand. Dennoch stellt die Verordnung einen wichtigen Schritt zur Förderung von Nachhaltigkeit und verantwortungsbewusstem Handel dar. Wenn Ihr Unternehmen mit Holz, Kautschuk, Rindern, Kakao, Kaffee, Ölpalmen und Soja oder daraus hergestellten Produkten wie Gummi, Leder und Schokolade handelt und das bzw die Produkte nicht ausgenommen wurde(n), ist es vermutlich von der EU-Entwaldungsverordnung betroffen und sollte sich ehestmöglich mit den künftigen Verpflichtungen auseinandersetzen.

Rechtsnews

Auf dieser Seite wird in Kürze ein Blog zu aktuellen rechtlichen Entscheidungen entstehen. Ziel ist es, komplexe Urteile und Gesetzesänderungen verständlich und praxisnah aufzubereiten. Ich möchte Ihnen einen Einblick in wichtige Entwicklungen geben und die Bedeutung für den Alltag oder die berufliche Praxis aufzeigen. Bleiben Sie dran, um stets gut informiert zu sein!